Erschütterung des für eine private Pkw-Nutzung sprechenden Anscheinsbeweises
Finanzgericht Münster Pressemitteilung Nr. 18 vom 15.09.2022, Urteil vom 16.08.2022, Az.: 6 K 2688/19 E
Der für die Privatnutzung eines betrieblichen PKW sprechende  Anscheinsbeweis kann auch auf andere Weise als durch das Vorhandensein  eines in Status und Gebrauchswert vergleichbaren Pkw im Privatvermögen  erschüttert werden. Dies hat der 6. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 16. August 2022 (Az. 6 K 2688/19 E) entschieden.
Zum Haushalt der miteinander verheirateten Kläger gehörten in den  Streitjahren 2015 und 2016 zwei volljährige Kinder. Im Privatvermögen  hielten die Kläger im Streitzeitraum (teilweise nacheinander) insgesamt  drei Kleinwagen, die in erster Linie von den Kindern genutzt wurden. Der  Kläger unterhielt auf demselben Grundstück, auf dem sich auch das  Wohnhaus der Familie befand, einen Gartenbaubetrieb, war aber  hauptberuflich anderweitig als Arbeitnehmer beschäftigt. Die Klägerin  arbeitete neben 20 weiteren Arbeitnehmern bzw. Aushilfen auf Mini-Job-Basis im Betrieb des Klägers.
Im Betriebsvermögen hielt der Kläger neben einem dem Vorarbeiter  zugeordneten Dienstwagen einen BMW X3 und ab Februar 2015 einen Ford  Ranger, für die keine Fahrtenbücher geführt wurden. Für den BMW  versteuerte er die Privatnutzung nach der 1%-Regelung, während er für  den Ford Ranger keinen Privatnutzungsanteil ansetzte. Das Finanzamt  wandte demgegenüber auch für den Ford Ranger die 1%-Regelung an, da die  privaten Fahrzeuge in Status und Gebrauchswert nicht mit diesem Pkw  vergleichbar seien und nicht allen Familienmitgliedern jederzeit ein  Fahrzeug zur privaten Nutzung zur Verfügung gestanden habe.
Zur Begründung ihrer Klage machten die Kläger geltend, dass der Ford  Ranger den Mitarbeitern des Betriebs arbeitstäglich permanent als  Zugmaschine zur Verfügung stehen müsse. Aufgrund des  Verschmutzungszustands sei es lebensfremd, dieses Fahrzeug an  Wochenenden für Familienfahrten zu nutzen. Hierfür bleibe wegen der  geringen jährlichen Fahrleistung von durchschnittlich 8.900 km auch kein  Raum.
Die Klage hatte Erfolg. Der 6. Senat des Finanzgerichts Münster ist  nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht zu der Überzeugung gelangt,  dass der Ford Ranger in den Streitjahren tatsächlich privat genutzt  wurde. Nach dem Beweis des ersten Anscheins spreche die allgemeine  Lebenserfahrung zwar dafür, dass betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten  Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt würden.  Dieser Anscheinsbeweis sei im Streitfall allerdings erschüttert.
Zwar handele es sich bei dem Ford Ranger um ein Fahrzeug, das sich  typischerweise auch für eine Privatnutzung eignet. Auch der ebenfalls  privat genutzte betriebliche BMW X3 sei nicht geeignet, den  Anscheinsbeweis zu erschüttern, da er wegen der betrieblichen Nutzung  nicht vollumfänglich für Privatfahrten zur Verfügung stehe.
Der Senat hat aber aufgrund des dargelegten Sachverhalts die  ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung  entsprechenden Geschehens angenommen. Zunächst sei nachvollziehbar, dass  der Ford Ranger permanent aufgrund seiner Zugkraft im Betrieb  eingesetzt worden sei. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der  Kläger seinen Gartenbaubetrieb nur als Nebentätigkeit ausgeübt habe und  den Ford Ranger damit nicht arbeitstäglich selbst genutzt haben könne.  Hierdurch sei die Möglichkeit einer Privatnutzung erheblich  eingeschränkt gewesen. Zu berücksichtigen sei auch, dass beide Kläger  für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte aufgrund der kurzen  Entfernungen keinen Pkw benötigt hätten. Schließlich habe der Ford  Ranger auch nicht für bestimmte Anlässe privat genutzt werden müssen, da  die Entsorgung von Grünschnitt über einen auf dem Grundstück  befindlichen Container erfolgt und für den Umzug der Tochter ein  Transporter geliehen worden sei.
Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Quelle: www.fg-muenster.nrw.de