Steuerberater Müller Bochum

Einkommensteuer – Zur Berücksichtigung von Kosten für eine Badekur als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) – Anforderungen an den Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen

Finanzgericht Münster Entscheidung veröffentlicht am 02.11.2011, Urteil vom 06.09.2011, Az.:1 K 2809/08 E


T a t b e s t a n d

Streitig ist die Berücksichtigung von Aufwendungen für Kurmaßnahmen als außergewöhnliche Belastungen im Streitjahr 2006.

Der Kläger, der im Streitjahr 2006 mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird, machte Kuraufwendungen für die Ehefrau im Rahmen der gemeinsamen Einkommensteuererklärung in Höhe von 2.586 Euro als außergewöhnliche Belastungen geltend. Er reichte mit der Einkommensteuererklärung eine sog. Notwendigkeitsbescheinigung des Gesundheitsamtes der Stadt H vom 28.6.2006 sowie zum Nachweis der Kurkosten die Rechnung des Fünfsterne-Hotels K L in Bad G vom 2.8.2006 ein. Diese wies neben der Kurtaxe Pauschalpreise für 21 Arrangements inklusive Dinnerarragement aus. Kosten für Kuranwendungen der Ehefrau sind in dieser Rechnung nicht separat ausgewiesen worden.

Weiter legten der Kläger und seine Ehefrau der Einkommensteuererklärung als Anlage eine quittierte Rechnung der Praxis für Physikalische Therapie P über 120 Euro für sechs Einheiten "Personal-Training" bei, adressiert an "S".

Im weiteren Verfahren wurden dann zwei ärztliche Bescheinigungen des Kurarztes Dr. S aus Bad G nachgereicht, auf die inhaltlich Bezug genommen wird.

Während des Aufenthalts in Bad G, der vom 9.7.2006 bis 30.7.2006 dauerte, wurde die Ehefrau des Klägers von diesem begleitet. Der Kläger hat in der Zeit ebenfalls Anwendungen in den Solbädern erhalten, um so nach seinen Angaben im Schreiben vom 12.6.2007, S. 2, etwas für seine alters- und kriegsverletzungsbedingten Schäden an den Gelenken und der Wirbelsäule zu machen. Die Kosten hierfür sind vom Kläger allerdings nicht geltend gemacht worden.

Der Beklagte berücksichtigte die geltend gemachten Aufwendungen im Bescheid vom 15.8.2007 nicht. Berücksichtigt wurden allerdings andere außergewöhnliche Belastungen nach Abzug der zumutbaren Belastung.

Der Kläger legte am 24.8.2007 Einspruch gegen den Bescheid ein. Er verwies im Einspruchsverfahren darauf, dass die Klägerin täglich die Thermalbewegungsbäder genommen habe. Dies sei die wichtigste therapeutische Maßnahme in Bad G, die insbesondere zur Heilung oder Linderung von Rheuma und Arthrose dienten. Im K-L Hotel seien die therapeutischen Maßnahmen nach Urteil des Kurarztes in drei durch die Höhe der Wassertemperatur unterschiedliche Bäder verabreicht worden. Der Kurarzt habe auch am Kuranfang festgestellt, wie oft und wie lange in der Sole gebadet werden dürfe und ob Kontraindikationen vorliegen. Dies sei regelmäßig kontrolliert worden, zumal es bei alten Gästen wie Ihnen auf die Verträglichkeit der recht intensiven Wirkung der Heilsole ankomme.

Der Kläger wies auch auf den ihrer Meinung nach vorliegenden Vertrauensschutz hin, da beide Eheleute seit 1984 jährlich eine Kur durchführten, die bislang auch immer anerkannt worden sei.

Der Beklagte wies den Einspruch durch Entscheidung vom 1.7.2008 als unbegründet zurück, worauf hin der Kläger am 25.7.2008 Klage eingelegt hat. Hiermit verfolgen sie das Ziel fort, die Kuraufwendungen der Ehefrau in Höhe von 2.586 Euro als außergewöhnliche Belastungen anerkannt zu bekommen.

Im Klageverfahren reichte der Kläger nach dem durchgeführten Erörterungstermin eine Rechnung des Hotels K L, datiert vom 30.7.2006, ein. Rechnungsempfänger ist der Kläger. Diese Rechnung enthält 28 Arrangements zu 109,47 Euro und 14 Arrangements zu 106,47 Euro. Jeden Tag sind zwei Kurtaxen von 2 Euro abgerechnet worden. Außerdem sind jeden Tag bis auf den Abreisetag zwei Thermalbewegungsbäder zu 11,53 Euro aufgeführt.

Der Kläger wiederholt ansonsten seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, dass die Eheleute die zwei verschiedenen Zimmer bezogen hätten, um so den ärztlich begleiteten Kurablauf der Ehefrau und den Kurerfolg zu gewährleisten. Soweit Positionen der zusammen erstellten Abrechnungsunterlagen auf die Ehefrau entfallen seien, sei ein gesonderter Beleg erstellt worden. Dabei seien nur die auf den Aufenthalt und die Anwendungen entfallenden Beträge als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Der täglich in Rechnung gestellte Betrag für den Besuch des Thermalbades von 11,53 Euro sei zu dem Betrag für das Zimmer-/Verpflegungsarragement von 109,47 Euro bzw. 106,47 Euro zu addieren, so dass sich dann die in dem für die Ehefrau ausgestellten Beleg aufgeführten Pauschalen ergäben.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Einkommensteuerfestsetzung 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1.7.2008 dahingehend zu ändern, dass ein Betrag von 2.586 Euro als außergewöhnliche Belastungen zusätzlich berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass auch die nachgereichte Bescheinigung des Kurarztes Dr. S vom 5.9.2008 lediglich bestätige, dass die Ehefrau in der Zeit vom 9.7.2006 bis 30.7.2006 eine "Kurbehandlung" durchgeführt habe. Dabei werde nur allgemein bestätigt, dass Thermalbäder, Bade- und Trinkkur und Wassergymnastik verordnet und durchgeführt worden sei. Diese Bescheinigung sei auch zwei Jahre nach dem Aufenthalt in Bad G ausgestellt worden. Ein Heilbehandlungsplan mit den vereinbarten und durchgeführten Terminen sei nicht vorgelegt worden. Der Beklagte ist deshalb auch weiterhin der Ansicht, dass die Kläger in Bad G einen jährlichen Erholungsurlaub verlebt hätten. Da die Ehefrau altersbedingte gesundheitliche Probleme gehabt hätte, habe sie an allgemeinen gesundheitsfördernden und vorbeugenden Maßnahmen teilgenommen.

Nach Ansicht des Beklagten habe der Kläger bislang nicht glaubhaft machen können, dass ärztlich verordnete Heilbehandlungen von ausgebildeten Fachkräften durchgeführt worden seien. Auch habe er nicht nachgewiesen, dass die Kosten für die Bäder von der Krankenkasse erstattet worden seien. Eine Aufstellung und Rechnung der Wassergymnastik und der Rückenschule, die in der Bescheinigung des Kurarztes aufgeführt worden sei, sei nicht vorgelegt worden.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 13.7.2010 erörtert. Der Senat hat am 18.1.2011 mündlich verhandelt und nach Erteilung der Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht den Kurarzt Dr. S um Beantwortung verschiedener Fragen (s. Bl. 118 RS) gebeten. In der Antwort vom 11.8.2011 (Bl. 127f. d.GA) erklärte dieser, das es im Zeitraum vom 9.7.2006 bis 30.7.2006 zwei Konsultationen mit der Ehefrau des Klägers gegeben habe. Neben einem Kurs Rücken-Schule, welcher im Kurhotel angeboten worden sei habe er zur Stabilisierung der Muskulatur zusätzlich Wassergymnastik als Gruppentherapie empfohlen, welche in der Regel zweimal täglich durchgeführt worden sei. Die ordnungsgemäße Durchführung der empfohlenen Anwendungen sei ihm von der Patientin am 26.7.2006 bei der abschließenden Beratung mitgeteilt worden. Ein schriftlicher Kurplan sei nicht erstellt worden. Die Kosten der Beratungen seien über die Krankenkassenkarte der Knappschaft abgerechnet worden, ärztliche Kosten seien ansonsten nicht in Rechnung gestellt worden. Die Behandlung in Bad G sei aufgrund der diversen degenerativen Erkrankungen, die in der Bescheinigung vom 21.6.2006 von Frau Dr. St (Bl. 129) aufgezählt worden seien, notwendig gewesen.

Auf die Durchführung der Beweisaufnahme durch Zeugenvernahme des Herrn Dr. S haben die Parteien verzichtet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage ist unbegründet.

Die geltend gemachten Aufwendungen für die Reise nach Bad G können nicht als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden, da es sich um eine sog. Badekur handelt. Die Aufwendungen für eine solche Badekur sind nicht als Krankheitskosten anzusehen.

Im vorliegenden Fall scheitert die Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen daran, dass es dem Kläger nicht gelungen ist, die Notwendigkeit der Aufwendungen nachzuweisen. Aufgrund der fehlenden laufenden ärztlichen Kontrolle der vom Kurarzt verordneten Maßnahmen ist der Senat vielmehr zu der Überzeugung gekommen, dass die Reise nach Bad G und damit auch die damit verbundenen Aufwendungen vor allem der Gesundheitsvorsorge und der Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens der Ehefrau des Klägers und nicht der Linderung konkreter Krankheiten diente. Letzteres war lediglich Nebenzweck der Reise, was aber nicht dazu führt, die Reise als Ganzes als notwendig zur Linderung von Krankheiten anzusehen.

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag nur dann ermäßigt, wenn die geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Aufwendungen anzusehen sind. Dies ist der Fall, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und eine angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG) Dies ist regelmäßig bei Krankheitskosten der Fall (so auch BFH-Urteil vom 2.9.2010 VI R 11/09, BStBl II 2011, 119), wozu auch Aufwendungen für eine Reise gehören, die der Heilung und Besserung einer Krankheit dienen (vgl. nur BFH-Urteil vom 14.2.1980 VI R 218/77, BStBl II 1980, 295 mwN.).

Um den Missbrauch zu verhindern und eine deutliche Abgrenzung zwischen einer insoweit notwendigen Reise und einer insoweit nicht notwendigen Reise zu ermöglichen, hat der Steuerpflichtige zweifelsfrei diese Notwendigkeit nachzuweisen. Vorbeugende Maßnahmen, die der Gesundheit allgemein dienen, und solche, die auf einer medizinisch nicht indizierten Behandlung beruhen, zählen nämlich nicht zu den Krankheitskosten, da sie auf einer freien Willensentscheidung beruhen und deshalb gemäß § 12 Nr. 1 EStG den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung zuzurechnen sind (BFH-Urteil vom 2.9.2010 VI R 11/09, BStBl II 2011, 119).

Ein formalisiertes Nachweisverlangen in Form eines vor einer Reise auszustellenden amtsärztlichen Attests, wie es in der Vergangenheit von der BFH-Rechtsprechung verlangt worden ist, hat der nunmehr zuständige VI. Senat des BFH zumindest für den Fall der unstreitig vorliegenden schwerwiegenden Erkrankung aufgegeben (BFH-Urteil vom 2.9.2010 VI R 11/09, BStBl II 2011, 119). Inwieweit dies im vorliegenden Fall gilt, kann der Senat dahinstehen lassen, da ein vor Reisebeginn ausgestelltes Attest vorliegt. Dies genügt auch grundsätzlich den bisherigen Anforderungen.

Um eine Abgrenzbarkeit zwischen Erholungsreise und Kurreise sicher vornehmen zu können, bedarf es aber nach bisheriger Rechtsprechung daneben auch der ärztlichen Überwachung der Patientin am Kurort. Hierauf ausnahmsweise zu verzichten, ist jedenfalls in anerkannten Erholungsorten, zu denen auch Bad G gehört, nicht möglich (vgl. BFH-Urteil vom 14.2.1980 VI R 218/77, BStBl II 1980, 295 mwN.). An einer solchen Überwachung fehlt es im vorliegenden Fall.

So hat der Kurarzt ausweislich seiner schriftlichen Stellungnahme die Patientin zwar beraten und zu einzelnen Maßnahmen geraten. Eine laufende Überwachung erfolgte aber gerade nicht, insbesondere wurde auch kein schriftlicher Kurplan erstellt. Die Ordnungsmäßigkeit der Durchführung der empfohlenen Anwendungen wurde allein von der Patientin mitgeteilt. Ärztliche Kosten, dies macht die fehlende Überwachung sehr deutlich, wurden nicht in Rechnung gestellt, lediglich die Kosten für zwei Beratungen über die Krankenkasse abgerechnet.

Unabhängig von der Frage nach der Art und dem Umfang der ärztlichen Überwachung ist der Senat aber zur Überzeugung gekommen, dass die Ehefrau des Klägers - anders als ggf. in anderen Jahren - eine Erholungsreise mit dem Kläger nach Bad G unternommen hat. Neben der fehlenden ärztlichen Überwachung spricht hierfür auch die ungewöhnliche Abrechnung der Leistungen. Die Thermalbewegungsbäder sind erkennbar Leistungen, die vom Hotel im Rahmen eines Komplettpakets angeboten worden sind, welches auch andere Gäste, etwa der Kläger, nutzen, ohne dass deshalb eine besondere Kurmaßnahme vorliegt. Aus diesem Grunde sind diese Aufwendungen auch in der ersten vorgelegten Rechnung nicht aufgeführt worden. Die Aufsplittung der Rechnung, die dann nach dem Erörterungstermin eingereicht worden ist, ist hinsichtlich der Höhe des Preises ungewöhnlich und zeigt, dass es sich hierbei anscheinend um eine kalkulatorische Rechengröße handelt.

Gegen die Notwendigkeit der Reise nach Bad G spricht weiter, dass bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht dargelegt werden konnte, warum gerade dieser Kurort gewählt werden musste. In der Bescheinigung der Frau Dr. St ist gerade nicht von Bad G sondern von Bad B die Rede. Die Aussage des Kurarztes Dr. S bleibt insoweit wenig konkret, da er nur allgemein auf die Notwendigkeit hinweist. Allein der Hinweis auf das vorgelegte amtsärztliche Attest vermag nicht zu überzeugen, da auch dort nicht nachvollziehbar der Aufenthalt gerade in diesem Ort begründet worden ist.

Mangels Vorliegens einer Heilkur können neben den Hotelkosten auch die übrigen Aufwendungen im Zusammenhang mit dieser Reise nicht geltend gemacht werden, also auch die Kosten für Kur- und Arztbescheinigung.

Ein Vertrauenstatbestand, der nach Ansicht des Klägers aufgrund der in anderen Jahren anerkannten Reisen als Heilkur erfolgt ist, liegt nicht vor. Jede Reise ist für sich auf die vorliegende Zwangsläufigkeit i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG zu überprüfen. Die Voraussetzungen sind dabei jedes Mal zweifelsfrei vom diesen Abzug beantragenden Steuerpflichtigen substantiiert darzulegen und nachzuweisen.

Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, sind nicht erkennbar.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger gemäß § 135 Abs. 1 FGO.


Quelle: www.fg-muenster.nrw.de